Grenzen der Eigentumsfreiheit
Die Eigentümer:innen eines Grundstücks dürfen auf ihrem eigenen Boden grundsätzlich tun und lassen, was sie wollen. So besagt es Paragraf 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Allerdings ist dieses Recht mit Einschränkungen verbunden: Man darf kein Gesetz brechen und Dritte nicht in ihren Rechten verletzen.
Öfter als man glaubt führen diese beiden Seiten der Medaille zu Streit. Was der eine Nachbar gut findet, ist dem anderen ein Dorn im Auge. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für den Versicherungskonzern Gothaer hatte fast die Hälft der Befragten schon einmal Streit mit den Nachbarn.
Pflanzen und Zäune sorgen oft für Ärger
Gerade die Gartengestaltung birgt ein hohes Konfliktpotenzial. „Die meisten Streitigkeiten entzünden sich wegen Grenzbepflanzungen und wegen des Gartenzauns“, berichtet Martin Breidbach, Bundesgartenberater beim Verband Wohneigentum in Bonn. Das Gartenhaus sorgt seiner Erfahrung nach für weniger Unmut unter Nachbarn.
Ob als Sichtschutz oder als grüne Begrenzung des Grundstücks: Viele Gartenbesitzer:innen mögen Hecken und Sträucher am Gartenrand. Doch die stark wachsenden Pflanzen geben häufig Anlass zu Streit. „Hecken zum Beispiel werden allzu oft viel zu dicht an Nachbars Grenze gepflanzt“, sagt Breidbach. Die Pflanzabstände für Grenzbepflanzung sind per Gesetz festgelegt.
Grenzbepflanzung: Abstände einhalten
Fast jedes Bundesland hat ein Nachbarschaftsgesetz, das Auskunft darüber gibt, wie weit bestimmte Pflanzenarten von der Grundstücksgrenze entfernt sein müssen. So gilt beispielsweise für Hessen, dass Sträucher zwischen 50 und 100 Zentimeter Abstand halten müssen, Hecken je nach Größe zwischen 25 und 75 Zentimeter. Bäume dürfen je nach Art in einer Distanz von 1,5 bis vier Metern gepflanzt werden.
Gefahr bei Grenzbepflanzung: Einem Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 11. August 2021 zufolge dürfen Nachbarn herüberwachsende Baumwurzeln im Sinne des Selbsthilferechts (vgl. § 910 BGB) selbst dann abschneiden, wenn dadurch das Absterben des Baumes droht (Az. 2 S 132/20). Der Bundesgerichtshof hatte diese Entscheidung bereits zuvor in Bezug auf überhängende Äste getroffen (Urteil vom 11.06.2021, Az. V ZR 234/19). Die Richter:innen am Landgericht Frankenthal betonten jedoch, dass das Entfernen der Wurzeln nur dann rechtens ist, wenn eine tatsächliche Beeinträchtigung existiert. Im verhandelten Fall störten die Wurzeln den Kläger beim Rasenmähen und es bestand die Gefahr der Beschädigung der Maschine.
Anspruch auf Beseitigung verjährt
Haben die Eigentümer:innen diese Abstände nicht eingehalten, können die Nachbarn auf die Beseitigung bestehen – aber nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums. In Hessen beträgt diese Frist drei, in Bayern zum Beispiel fünf Jahre. Zur Wahrung dieser Rechte genügt es allerdings nicht, die Nachbarn mündlich auf den Beseitigungswunsch hinzuweisen oder einen Brief zu schreiben. „Das muss schriftlich beim Amtsgericht eingereicht werden“, erklärt Breidbach.
Ist die Frist verstrichen, muss man die zu hoch gewachsene Hecke oder den zu dicht gepflanzten Baum dulden. Möglicherweise könne man sich vor Gericht noch auf eine maximale Höhe der Hecke einigen, meint der Experte, aber der Anspruch auf eine komplette Beseitigung sei erloschen.
Beeinträchtigung muss „wesentlich“ sein
„Gegen die Bepflanzung vorgehen kann der Nachbar nur dann noch, wenn sie ihn in der Nutzung seines Grundstückes wesentlich beeinträchtigt“, so Gartenberater Breidbach. Eine solche Beeinträchtigung könnte vorliegen, wenn man mit Samenflug, Blatt- oder Nadelfall von Nachbars Garten aus konfrontiert ist. Ob eine Klage Erfolg hat, hängt stark von den zuständigen Richter:innen ab. Diese entscheiden letztlich, inwieweit eine Beeinträchtigung als wesentlich anzusehen ist.
Fällt das Laub im Garten auf den Rasen, müssen die Nachbarn damit leben. So urteilte etwa das Amtsgericht München (Az.: 114 C 31118/12). Verstopfen Blätter, Nadeln oder Zapfen aber die Regenrinnen des Nachbarhauses, ist die Wesentlichkeit oft gegeben. Weg muss der Baum dennoch nicht. „Das Gericht kann dem Beeinträchtigten aber eine sogenannte Laubrente zusprechen, einen jährlichen Geldbetrag, den der Nachbar als Anteil für die Reinigung zu leisten hat“, erklärt Breidbach.
So hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass Hausbesitzer:innen ein Ausgleich zusteht, wenn das Laub von Bäumen Regenrinne und Dach des Nachbarhauses über das zumutbare Maß hinaus verschmutzt (Az.: V ZR 8/17).